Psychische Belastungen sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet, doch oft wissen Betroffene und ihre Angehörigen nicht, wie sie mit ihrer Situation umgehen sollen. Der Dachverband Gemeindepsychiatrie e.V. hat mit Förderung des Bundesgesundheitsministeriums die Plattform OBEON (Orientierung und Beratung Online) ins Leben gerufen, um Menschen in seelischen Belastungssituationen schnell und effizient zu unterstützen und ihnen den Zugang zu den richtigen Hilfsangeboten zu erleichtern. Das Besondere: Das Angebot wurde von Betroffenen, Angehörigen und psychosozialen wie psychiatrischen Fachkräften gleichberechtigt entwickelt. In der Psychiatrie nennt man diesen inklusiven Ansatz Trialog.
Aktuelle Herausforderungen und die Relevanz von OBEON
Die Arbeit mit Menschen in seelischen Belastungssituationen hat gezeigt, dass viele Menschen nicht verstehen, was mit ihnen oder ihren Angehörigen passiert, und sich oft überwältigt und orientierungslos fühlen. Trotz einer Vielzahl von Hilfsangeboten finden sich viele in ihrer subjektiven Belastungssituation nicht zurecht, was zu einer weiteren Verschlechterung ihres Zustands führen kann.
Ein weiteres zentrales Problem ist die lange Wartezeit auf psychotherapeutische Behandlungen. In vielen Fällen müssen Menschen mehrere Monate warten, bevor sie eine dringend benötigte Therapie beginnen können. Diese Wartezeit kann die Belastungssituation verschärfen und zu einer Verschlimmerung der Symptome bis hin zur Suizidalität führen.
Zudem haben viele Menschen Angst davor, als „psychiatrisch“ eingestuft zu werden. Diese Furcht führt dazu, dass sie keine Hilfe in Anspruch nehmen, obwohl sie dringend Unterstützung benötigen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, alternative Wege zur Unterstützung anzubieten, die den Betroffenen eine sichere und weniger stigmatisierende Umgebung bieten.
Niederschwellige und anonyme Beratung
OBEON wurde entwickelt, um genau diese Lücken zu schließen. Die Online-Plattform bietet eine niederschwellige, anonyme und flexible Möglichkeit, Orientierung und Beratung zu finden. Betroffene können sich über verschiedene psychische Belastungssituationen informieren und werden dabei unterstützt, die für sie passende Hilfe zu finden – ohne monatelange Wartezeiten und ohne das Stigma, das mit traditionellen psychiatrischen Angeboten verbunden sein kann.
Das Projekt möchte auch die Gesellschaft und Politik auf die dringende Notwendigkeit aufmerksam machen, alternative Unterstützungsmöglichkeiten wie OBEON zu fördern und zu integrieren. Die Digitalisierung im Bereich der psychischen Gesundheit bietet enorme Potenziale, um die Versorgungslage zu verbessern und den Betroffenen den Zugang zu den richtigen Hilfsangeboten zu erleichtern.
Bis Oktober 2024 hat OBEON bereits 560 Nutzerinnen und Nutzer unterstützt, dabei wurden 13.000 Chatnachrichten empfangen und 700 Einzeltermine abgehalten. Diese stetige Zunahme der Nutzung zeigt die wachsende Bedeutung von digitalen Angeboten im psychosozialen Hilfesystem.